Remember die Thermopapier-Kassenzettel und die Tests in Sachen Aufnahme der hormonaktiven Chemikalie durch die Haut ...
...
beim Kantonalen Labor in Zürich, publiziert im März 2010 in "analytical & bioanalytical chemistry" unter dem Titel “
Transfer of bisphenol A from thermal printer paper to the skin“, Biedermann, Tschudin & Grob)? Das BAG hat darauf Ende August
mit einem eigenen Paper reagiert. Die Experimente dafür lagerte das Bundesamt aus zu den "
Harlan Laboratories" (die
auf drei Kontinenten Tierversuche durchführen), Filiale Itingen (BL). Die BAG-Publikation
kostet 31.50$ auf der Site des Journals. Wer freundlich fragt, erhält sie vom BAG kostenlos zugemailt (nicht vergessen: auch die "supplementary data" [Anhang] verlangen!). Darin lesen wir darüber, womit und wie die Versuche durchgeführt wurden, um herauszufinden, in welchen Mengen Bisphenol A durch lebendige menschliche Haut geht:
2. Material and methods
All experiments have been done under GLP conditions at Harlan Laboratories Ltd., Itingen, Switzerland, following the OECD TG 428 (Skin absorption: in vitro method).
2.1. Humanskin
Full thickness skin was obtained from 2 human cadavers. The samples were taken from the dorsal part of the upper legs. The intact skin samples were then stored at −20◦C for up to one year. After thawing, 7 skin sections of 200 um thickness were cut off from the top using a dermatome (cordless dermatome GA 643). (...)
Von der Hinterseite der Oberschenkel zweier Leichen wurden - im Querschnitt vollständige - Hautproben genommen. Diese Proben lagerten bis zu einem Jahr bei -20 Grad. Nachdem man die Proben aufgetaut hatte, schnitt man von deren alleroberster Schicht (Epidermis? Stratum corneum / basale?) 7 hauchdünne (200 Mikrometer [0,2 Millimeter] dicke) Scheiben ab (Prinzip: Käsescheibenschneidemesser). Und hat mit diesen Fitzelchen experimentiert.
Wem es jetzt, als Laien wie mir, irgendwie fragwürdig erscheint, ob damit relevante Aussagen über die Verhältnisse auf der Hand und in der Haut einer Supermarktkassiererin zu erhalten sind, die tagtäglich hunderte Kassenzettel zerknüllt oder weitergibt, dem hält das BAG die
OECD Richtlinie 428 ("Test No. 428: Skin Absorption: In Vitro Method") vor die Nase und sagt - zugespitzt: "Danach liessen wir Harlan vorgehen. Das ist internationaler Standard. Shut up!"
Von der wirtschaftsnahen
OECD (Organisation für wirtschaftliche [!] Zusammenarbeit und Entwicklung) erhält man erfreulicherweise auf Nachfrage recht rasch die Liste der Mitglieder des Komitees, das die Richtlinie 428 verantwortet, und den Bericht über deren Entstehungsgeschichte: "
oecd-428
(application/pdf, 289 KB)
". Auf Seite 34ff finden wir dort neben einigen Fachleuten aus staatlichen Forschungsinstituten und Regulierungsbehörden auch die offenbar unvermeidlichen Industrievertreter. Es sind die üblichen Verdächtigen: Unilever, AstraZeneca, Rhone-Poulenc und Henkel. Warum solche Firmen, voll stimmberechtigt, in dieser Art Gremien einsitzen, werde ich nie wirklich verstehen.
Was die bei "Harlan Laboratoris Ltd." durchgeführte BAG-Studie mit ihrem Ansatz schliesslich rausgefunden hat über das Eindringen des hormonaktiven Bisphenol A durch die Haut? Nun ja. Das schreiben die AutorInnen bereits in den "highlights" auf der ersten Seite:
- The aim of the study was to determine the dermal penetration rate of bisphenol A.
- The analysis has been done under GLP conditions and according to OECD guideline 428.
- The test has been performed in conditions close to reality.
"close to reality"? Naja... (siehe oben). Jedenfalls:
- The contribution of dermal exposure to bisphenol A is confirmed to be moderate.
Und der letzte Satz lautet:
In conclusion, the present study confirms that dermal exposure to BPA is moderate and contributes in a negligible way to total body burden.
Fakt ist trotzdem: Die Studie belegt sogar mit ihren OECD-konformen "in vitro" Methoden, dass der Stoff tatsächlich durch die Haut geht! Diese Grafik daraus...
... zeigt, wieviele % der aufgetragenen Menge nach wie lange durch die in der Studie verwendeten 7 Fitzelchen der obersten Hautschicht dringen, und damit prinzipiell zu den äussersten, feinsten Blutgefässen durchkommen.